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DIE FLUGZEUGLEGENDE

Sie ist eine fliegende Legende: Die „Tante Ju“ ist über 80 Jahre alt. Sie flog überall, und sie fliegt noch immer. Zum Beispiel als Oldtimerflugzeug bei der Deutschen Lufthansa. Dort gilt die Ju 52 – so lautet ihr offizieller Name – nicht nur bei Nostalgikern als das älteste, sondern auch als das schönste, teuerste, sicherste und interessanteste Flugzeug.

Immer wieder wurde die Maschine mit den auflackierten Großbuchstabern D-AQUI gründlich überholt, und mit neuesten Ersatzteilen ausgestattet. Und sie hat eine schillernde Vergangenheit.

Im April 1936 wurde die D-AQUI auf den Namen „Fritz Simon“ getauft. Gut vier Jahre zuvor, am 7. März 1932, war die erste dreimotorige Ju 52 in Dessau zum Jungfernflug gestartet. Nur wenige Monate später schon verlor ihr Konstrukteur Hugo Junkers nach der Machtergreifung der Nazis alle seine Betriebe. Junkers erschien ihnen als politisch unzuverlässig.

ABENTEUERLICHE JAHRE IN EUROPA UND AFRIKA

Die „Fritz Simon“ überlebte abenteuerliche Jahre in Europa und Amerika und erhielt schließlich am 6. April 1986 den Namen „Berlin-Tempelhof“ – genau 60 Jahre nach der Gründung der Luft Hansa. Aber nicht nur um diese Maschine ranken sich viele Geschichten. Kaum ein Flugzeug in der Geschichte der Luftfahrt – ausgenommen die amerikanische DC-3 „Dakota“ – wurde so populär wie der von Ernst Zindel und Hugo Junkers geschaffene Tiefdecker Ju 52 mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 270 Stundenkilometern und Platz für 17 Passagiere.

Viele Jahre war die Ju 52 das am meisten verbreitete Verkehrsflugzeug der Welt. Obwohl sie nie als militärische Entwicklung vorgesehen war, flog die Ju 52 auf Kriegsschauplätzen der 30er, 40er und sogar noch der 50er Jahre, auch als Bombenflugzeug. Gleichzeitig rettete sie aber auch als Transportflugzeug vor allem im zweiten Weltkrieg Tausenden das Leben. Den Namen „Tante Ju“ verdankte das Flugzeug deutschen Soldaten, die von ihr gerettet wurden. Es flog auch noch, wenn andere Flugzeuge nicht mehr vom Boden hoch kamen, oder sich nicht mehr in der Luft halten konnten. Eine Maschine kehrte einmal zurück, obwohl ihr fast die halbe linke Tragfläche abgeschossen worden war.

QUADRATUR DES KREISES

So berühmt der Flugzeugtyp wurde – der Anfang war einfach und bescheiden. Gesucht wurde damals ein Flugzeug, das Fracht und Passagiere befördern konnte, den hohen Anforderungen der Lufthansa gerecht wurde, gleichzeitig aber auch in wirtschaftlich und verkehrstechnisch noch nicht besonders erschlossenen Ländern eingesetzt werden konnte. Gefragt waren Zuverlässigkeit, kurze Start- und Landestrecken bei möglichst geringen Wartungsproblemen. Was Junkers bauen sollte und wollte, kam fast der Quadratur des Kreises gleich: Die Frachtflieger wollten ein einmotoriges, die Lufthanseaten ein dreimotoriges Flugzeug haben.

Hugo Junkers Chefkonstrukteur Ernst Zindel schaffte das Kunststück: Am 11. September 1930 hob die erste einmotorige Ju 52 mit der Werksnummer 4001 zum Jungfernflug ab. Doch erst die halbe Wegstrecke war geschafft. Denn die Lufthansa war gar nicht zufrieden. Zehn einmotorige Ju 52 sollten gebaut werden. Tatsächlich waren nur fünf flügge. Eine landete später bei kanadischen Pelzjägern in der Hudson Bay und wurde noch Ende der 40er Jahre von Canadian Pacific Airways eingesetzt.

ERFOLG ERST MIT 3 MOTOREN

Die Struktur der einmotorigen Ju 52 war bereits so ausgelegt, dass in den Tragflächen zusätzliche Motoren eingebaut werden konnten. So entstand schon im Frühjahr die neue Version Ju 52/3 m – 3 m stand für dreimotorig. So hob vor über 79 Jahren die erste Ju 52/3 m in Dessau zum Jungfernflug ab. Die Ju 52/3m stand damit am Angang eines Luftfahrtkapitels, das Hugo Junkers entgültig in den Kreis der großen Flugzeugkonstrukteure und –pioniere der Welt einreihte.

Flugzeugpionier Hugo Junkers

Kurz nach der Machtergreifung der Nazis im Jahre 1933 forderte das Reichskommissariat für Luftfahrt von Professor Junkers die Übertragung aller seiner Patente ohne finanzielle Gegenleistung. Familienangehörige und enge Mitarbeiter wurden zeitweilig unter so- die genannte Schutzhaft gestellt, um sie gefügiger zu machen. Junkers erschien den damaligen Machthabern suspekt. Zu seinem Freundeskreis zählten große Liberale und Künstler der 20er Jahre wie Walter Gropius, Wassily Kandinsky und Max Liebermann.

Am 15. Oktober schließlich wurde Hugo Junkers von den Nationalsozialisten für die geplante Aufrüstung als politisch unzuverlässig angesehen. Er wurde gezwungen aus den Betrieben auszuscheiden. Das Reichsluftfahrtministerium erhielt ohne Gegenleistung 51 Prozent der persönlichen Junkers Aktien. Die Stätten seines Wirkens, die Stadt Dessau und seine Betriebe, durfte Junkers nicht mehr betreten. Diese Demütigungen überlebte der Mann, der mit seinen Ideen den Flugzeugbau der ganzen Welt revolutioniert hat, nicht. Er starb am 3. Februar 1935, an seinem 76. Geburtstag – nur knapp drei Jahre nach dem Jungfernflug seiner berühmtesten Schöpfung.

Maschinen vom Typ Ju 52 wurden in allen Erdteilen geflogen, sogar mit Schwimmern und Kufen für Eis und Schnee. Die Deutsche Lufthansa hatte zeitweilig 80 Ju 52 im Einsatz; insgesamt hatte sie 186 geordert. Wie zuverlässig das Flugzeug von Anfang an war, zeigte die Zahl der Notlandungen. Sie konnte auf 1,5 pro eine Million Flugkilometer gedrückt werden – für damalige Verhältnisse eine beispiellose Leistung.

Unterdessen bleibt ie D-AQUI auch heute noch auf dem neuesten Stand. Gerade erst wurde ein Antikollissionssystem installiert – im Vorgriff auf behördliche Forderungen.

Quelle: Stern-Online – Karl Morgenstern DPA