Notlandung

NOTLANDUNG AUF 3.200m – eine fliegerische meisterleistung

Am 4. Jänner 1941 um 15 Uhr 30 wurde in der Nähe der deutsch-italienischen Reichsgrenze, auf dem Gletscher in nordöstlicher Richtung der Dreiherrnspitze, Gemeindegebiet Prägraten, Gendarmeriepostenbereich Virgen, ein Militärflugzeug mit 11 Mann Besatzung im Sturm zur Notlandung gezwungen.

Notlandung

Bei dieser Notlandung wurden 10 Mann der Besatzung verletzt, davon der Funker Voigt schwer. Die Besatzung gab nach der Landung SOS Rufe an die Funkstellen München, Lienz und Bozen, konnten sich mit diesen aber nicht mehr verständigen. Das Flugzeug wurde bei der Landung zu 80 % beschädigt. Die Besatzung konnte in diesem gegen Sturm und Wind noch Schutz finden. Die brennenden Teile des Flugzeuges wurden zur Feuerung benutzt.

Die Besatzung schoß bei Nacht Leuchtraketen und gab bei Tag Schüsse ab, um irgendwelche Hilfe von der Umwelt zu erlangen. Als jede versuchte Verständigung mit der Umwelt erfolglos blieb, stiegen von der Besatzung am 6.1.1941 um 10 Uhr Stabsfeldwebel August Pusch, Flugzeugführer Feldwebel Erich Stobbe und Funker Petersen zur Essenerhütte ab. Diese Hütte war vom Notlandeplatz aus sichtbar. Bei der Essenerhütte konnten sie sich dann über den Standort der Notlandung orientieren.

Der von ihnen eingeschlagene Wege führte über verschneite, nicht sichtbare, große und gefährliche Gletscherspalten. Die Genannten nächtigten im Winterraum der Essenerhütte vom 6. auf den 7. 1.1941. Am 7.1.1941 stiegen sie von der Essenerhütte ab, nahmen dort ein Seil mit sich und wanderten den ganzen Tag durch das lawinengefährliche Umbaltal der Richtung Prägraten zu.

Die 3 Flieger kamen am Abend des 7.1.1941 im erschöpften Zustand beim Lessensteg an und nächtigten dort in einer Felsenspalte. Am 8.1.1941 wanderten die Genannten weiter und trafen um 13 Uhr 30 in Prägraten ein. Von dort aus verständigten sie den Fliegerhorst von der Notlandung.

Von der Zollstation Prägraten stiegen am 8.1.1941 gleich 4 Zöllner unter dem Kommando des Zollwacheassistenten Rudolf Seemüller mit Proviant zur zurückgebliebenen Besatzung des Flugzeuges auf. Gendarmeriehauptwachmeister Otto Tschiderer, der sich in Prägraten auf einem Dienstgange befand und vom Gendarmerieposten Virgen von der Notlandung des Flugzeuges fernmündlich in Kenntnis gesetzt wurde, alarmierte sofort eine Anzahl Bergführer und Schifahrer mit dem Bergführerobmann Ferdinand Berger zur raschen Hilfestellung.

Stabsfeldwebel August Pusch und der Flugzeugführer Feldwebel Erich Stobbe lehnten die Hilfestellung von der Prägrater Zivilbevölkerung mit der Begründung ab, daß die 4 Zollwachebeamten vorläufig reichen, der zurückgebliebenen Besatzung die notwendige Hilfe zu bringen. Von einer Erfrierung dieser Leute sei keine Gefahr. Weiters erklärten die Genannten, dass morgen den 9.1.1941 ein Flugzeug aus München Rettungsschlitten und Proviant für die Besatzung auf den Landungsplatz bringe und abwerfe.

Von Klagenfurt langte noch am 8.1.1941 an Stabsfeldwebel Pusch und Feldwebel Stobbe die Nachricht ein, dass Hilfsmannschaft in kurzer Zeit in Prägraten eintreffe. Diese Hilfsmannschaft kam am 9.1.1941 um ca. 5 Uhr mit einem Geländewagen vom Fliegerhorst Annabichl in Prägraten an. Von dieser Hilfsmannschaft stiegen am 9.1.1941 in der Früh ein Arzt und unter dem Kommando eines Leutnants 8 Mann meistens Zivilisten, bis zur Rostockerhütte auf. Der Arzt ging mit einem Mann weiter dem Landungsplatze zu.

Am 10.1.1941 um ca. 9 Uhr stieg die Hilfsmannschaft vom Fliegerhorst Annabichl zur Bergung und Abmontierung wichtiger Bestandteile des Flugzeuges zum Notlandeplatz auf. An der Rettung der notgelandeten Flugzeugbesatzung beteiligte sich die Hilfsmannschaft aus Annabichl nicht.

Die Zollwachepatrouille kam am 8.1.1941 um 22 Uhr 30 auf dem Reggentörl an und sucht bis 2 Uhr des 9.1.1941 vergebens nach dem Flugzeug und deren Besatzung. Diese Patroulle kehrte nach Erschöpfung auf die Rostockerhütte zurück. Ihr Kommandant, Zollwacheassistent Rudolf Seemüller stieg von der Rostockerhütte am 9.1.1941 nach Prägraten und erstattete Meldung, daß sie vergebens nach dem Flugzeug und der Besatzung gesucht hätten. Den 3 übrigen Zöllnern der Patrouille, Kinzerle, Scherer und Prem gab Seemüller den Befehl zum neuerlichen Aufstieg auf den angegebenen Landungsplatz des Flugzeuges und erklärte ihnen, daß falls sie die Besatzung und das Flugzeug im Laufe des Tages finden, nicht zurückkehren sollten.

Die 3 Zollwacheassistenten stiegen auf Befehl ihres Kommandanten Seemüller am 9.1.1941 im Laufe des Vormittages neuerlich auf den vermeintlichen Notlandeplatz auf. Sie fanden nach langer Suche um 13 Uhr in nordöstlicher Richtung von der Dreiherrn- und Simonyspitze das Flugzeug mit 4 Mann der Besatzung, darunter den schwerverletzten Funker Voigt.

Von den 8 am 6.1.1941 zurückgebliebenen Flugzeuginsassen sind am 8.1.1941 5 Mann, darunter der Oberfeldwebel Ing. Werner Walter zur Essenerhütte gewandert. Ing. Werner Walter kehrte an diesem Tage gleich wieder zu dem Flugzeug und der restlichen Besatzung zurück. Er soll sich besonders des schwerverletzten Funkers Voigt angenommen haben.

Die Zollwachebeamten Kinzerle, Scherer und Prem betteten nach ihrer Ankunft auf dem Notlandeplatz den schwerverletzten Funker Voigt mit einem anderen Verletzten der Besatzung auf ein Schlauchboot und traten den Rückweg mit der ganzen restlichen Besatzung des Flugzeuges zur Rostockerhütte an. Unterhalb dem Reggentörl kam der rettenden Zollwachpatroille der Militärarzt Dr. Miklas mit einem Soldaten des Fliegerhorstes Annabichl, die Gendarmeriepatroille unter dem Kommandodes Bez. Lt. Wallner aus Lienz, mit Hauptwachmeister Otto Tschiderer des Postens Virgen, Bez. Oberwachtmst. Kreissl und Wachtmst. Egli aus Lienz und 14 Personen aus Prägraten mit dem Bergführerobmann Ferdinand Berger zu Hilfe. Gleichzeitig wurden 2 Bergführer aus Prägraten von der Rostockerhütte nach Prägraten abgeordnet, um über die Auffindung des Flugzeuges und der Besatzung Meldung zu machen.

Die Rettungsmannschaft von Prägraten wurde am 9.1.1941 in der Früh von Stabsfeldwebel Pusch und Feldwebel Stobbe zum sofortigen Aufstieg und Rettung ihrer Kameraden ersucht. Diesem Ersuchen ist die Rettungsmannschaft aus Prägraten sofort nachgekommen, obwohl sie am Vorabend als Rettungsmannschaft abgelehnt worden sind.

Der Abtransport der 4 Besatzungsmitglieder des Flugzeuges bis zur Rostockerhütte erfolgte unter sehr schwierigen Gelände- und Schneeverhältnissen, da der Schwerverletzte und ein Fußverletzter auf dem Schlauchboot über große Schnee- und Gesteinsmassen geschleppt werden mußten. Die 2 leichtverletzten Besatzungsmitglieder konnten mittels Schneereifen und unter Beihilfe von je eines Rettungsmannes die Hütte zu Fuß selbst erreichen.

Die Rostockerhütte wurde am 9.1.1941 nach Einbruch der Dunkelheit erreicht. Der Funker Voigt schien seinem Lebensende nahe zu sein. Der Arzt stellte an ihm eine schwere Kopfverletzung mit Gehirnaustritt und schwere Erfrierungen der Füße fest. Er setzte alle Mittel während der ganzen Nacht in Bewegung, um Voigt am Leben zu erhalten. Ein weiterer Abtransport des Voigt im Laufe der Nacht, von der Rostockerhütte bis Prägraten, war infolge der schwierigen Geländeverhältnisse unmöglich.

Am 10.1.1941, nach Tagesanbruch erfolgte er Abtransport des schwerverletzten Voigt mit einem Rettungsschlitten durch die Rettungsmannschaft aus Prägraten und des Arztes Dr. Miklas nach Prägraten. Oberfeldwebel Werner Walter konnte unter Mithilfe des Gendhptwmst. Otto Tschiderer und des Zollwachbeamten Holzberger zu Fuß Prägraten erreichen. Die Rettungsmannschaft traf mit den 2 Verletzten am 10.1.1941 um 13 Uhr in Prägraten ein.

Der Funker Voigt wurde gleich nach den Ankunft mit einem Rettungswagen in Begleitung des Arztes Dr. Miklas in das Krankenhaus Lienz überführt. Die 2 leichtverletzten Flieger blieben auf Anordnung des Arztes auf der Rostockerhütte zurück. Der Arzt erklärte, daß die beiden unter einer Behandlung in einigen Tagen in der Lage sein werden, zu Fuß nach Prägraten absteigen zu können.

Bez. Lt. Wallner stieg am 10.1.1941 mit dem Bez. Obwmst. Kreissl, Wachtmeister Egli und den Bergführern Polikarp und Hypolit Leitner nach Tagesanbruch mit Schiausrüstung von der Rostockerhütte über das Reggentörl zur Essenerhütte auf, um die auf der Essenerhütte befindlichen 4 Flieger in Sicherheit zu bringen. Er erreichte mit der Rettungspatroille im Laufe des Vormittages die Essenerhütte. Um ca. 11 Uhr trat diese Patroille mit den 4 letzten Besatzungsmitgliedern des Flugzeuges von der Essenerhütte den Abstieg nach Prägraten über das Umbaltal an, und traf um ca. 20 Uhr ermüdet in Prägraten ein.

Der Flugzeugbesatzung gehörten an:

Stabsfeldwebel August Pusch

Flugzeugführer Erich Stobbe

Oberfeldwebel Ing. Werner Walter

Unteroffizier Schröder

Gefreiter Linke und Buran

Funker Drexel, Voigt und Petersen

und die Monteure Dobler und Richter

Der Funker Voigt ist an der schweren Kopfverletzung inzwischen im Krankenhaus in Lienz gestorben.

Am 9.1. und 10.1.1941 umkreisten bei Tag mehrere Flugzeuge das Großvenedigergebiet, in dessem Bereich das notgelandete Militärflugzeug liegt. Die Besatzungen dieser Flugzeuge konnten infolge einer dichten Bewölkung an diesen Tagen den Standort der Notlandung nicht feststellen und ausfindig ausmachen. Das erste Flugzeug startete in München laut fernmündlicher Nachricht an Stabsfeldwebel Pusch am 9.1.1941 um 8 Uhr.

Dieses Flugzeug kreiste in 6000 m Höhe ohne Erfolg. Nach seiner Landung in München startete ein zweites Flugzeug mit einem Gebiegskundigen zum Notlandeplatz. Die dichte Wolkendecke wehrte auch disem Flugzeug jede Sicht zu den Verunglückten ab. Die gleichen Mißerfolge hatten die nachforschenden Flugzeuge am 10.1.1941.

Die notgelandete Flugzeugbesatzung hatte bloß eine geringe Menge Keks an Lebensmitteln mit sich. Diese mußten nach der Notlandung mehrere Tage rationiert werden. Die Notwirtschaft für die Besatzung führte Oberfeldwebel Ing. Werner Walter. Werner stellte für die Besatzung zur Überwindung der Kälte auch einen warmen Tee aus Seegras her, das zu diesem Zwecke aus einem gepolsterten Sitz entnommen wurde. Die Temperatur sei auf 25 bis 30 Grad Celsius herabgesunken.

Der Notlandeplatz liege auf 3200 m Höhe. Laut Angaben des Oberfeldwebels Werner Walter hätte ein Teil von der zurückgebliebenen Besatzung auf dem Landeplatz die Nacht vom 9. auf den 10.1.1941 infolge der großen Kälte und Ermattung nicht mehr überleben können. Nach seiner Ansicht hätten anfänglich alle mit Ausnahme des schwerverletzten Funkers Voigt zur Essenerhütte in Sicherheit gebracht werden können. Ein Abtransport des Voigt wäre aber immer unmöglich gewesen, weil zuwenig gesunde Kräfte mehr vorhanden waren.

Werner entschloß sich deshalb bis Hilfe oder der Tod seiner Kameraden eintrete, bei diesen zu bleiben und sein Leben zu opfern.

Protokollauszug des Gendarmeriepostens Virgen, Kreis Lienz, Reichsgau Kärnten vom 11. Jänner 1941, an den Kommandeur der Gendarmerie bei dem Reichsstatthalter in Kärnten in Klagenfurt.

Mitglieder der damaligen Rettungsmannschaft aus Prägraten:

Berger Ferdinand Pongitzer Ferdl
Steiner Josef Millner Seppl
Steiner Much Millner Much
Leitner Polycarp Hinterglanz Polycarp
Leitner Hipolith Hinterglanz Hipolith
Steiner Josef Zisken Seppl
Berger Josef Pongitzer Josl
Egger Friedrich Katatsch Friedl
Wurzacher Franz alter Lex
Wurzacher Walter Löxn Walter
Kratzer Franz Krötza Franz
Leitner Lorenz Brugger Lorenz
Leitner Fritz Brugger Fritz